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Modellbasiertes Systems Engineering (MBSE) ist eine Methode, bei der Modelle für den Designprozess und die Analyse von komplexen Systemen verwendet werden. Dazu wird eine digitale Darstellung eines Systems erzeugt, die noch vor der Konstruktion des Systems zur Simulation und zum Testen verschiedener Szenarien verwendet werden kann.
Dank dieser Technologie können Ingenieure potenzielle Probleme bereits in einem frühen Stadium des Konstruktionsprozesses erkennen und so Zeit und Ressourcen sparen. MBSE wird in der Welt des Engineering immer beliebter, da es Kommunikation, Zusammenarbeit und Effizienz des Konstruktionsprozesses verbessern kann.
Hauptgrund: Die Produkte werden immer komplexer. Nehmen wir ein gängiges Produkt, einen Pkw, als Beispiel. Seit ich in den 80er Jahren mein erstes Auto bekam, hat sich eine enorme Entwicklung vollzogen, wie die folgende Abbildung zeigt:
In den 70er und 80er Jahren hatten die meisten Autos nur wenige elektrische Funktionen und eine einfache Verkabelung war ausreichend. Software war – abgesehen von einigen frühen Motorsteuerungssystemen – noch kein Thema.
In den 90er- bis 2000er-Jahren wuchs der Anteil der Elektronik im Auto sehr schnell: Dutzende von speziellen Steuergeräten mit eingebetteter Software, wie zum Beispiel ABS, Entertainment-Systemen im Auto und verschiedenen Fahrerunterstützungssystemen. Dadurch wurden die Kabelbäume immer komplexer und zu einer der teuersten Komponenten des Fahrzeugs.
Heutzutage gleicht das Auto immer mehr einem Computer auf Rädern. Moderne Elektroautos basieren auf einem leistungsstarken Zentralcomputer mit KI-Fähigkeiten zur Unterstützung des autonomen Fahrens und der Vernetzung mit dem Fahrzeughersteller sowie mit anderen Fahrzeugen
Das Auto ist zu einem komplexen System von Systemen geworden, bei dem die Softwareentwicklung zur wichtigsten Disziplin für die Wettbewerbsfähigkeit avanciert. Ähnliche Entwicklungstendenzen sind in einer Vielzahl von Branchen zu beobachten – und es besteht ein hoher Bedarf an neuen Technologien und Methoden.
MBSE ist die Antwort auf viele der neuen Herausforderungen, denen sich Unternehmen in der Produktentwicklung stellen müssen.
Beim traditionellen Systems Engineering wird in der Regel eine Reihe von Dokumenten erstellt, die das zu entwickelnde System beschreiben, darunter Anforderungen, Spezifikationen und Konstruktionsunterlagen.
Diese Dokumente können sehr umfangreich und komplex sein, und es ist nicht leicht, sie auf dem neuesten Stand zu halten, wenn sich der Entwurf weiterentwickelt. Bei MBSE hingegen wird mit Hilfe spezieller Software ein digitales Modell des Systems erstellt.
Dieses Modell kann leicht aktualisiert und geändert werden, wenn sich der Konstruktionsprozess fortschreitet. Verschiedene Szenarien lassen sich damit simulieren und unterschiedliche Designoptionen testen. Darüber hinaus dient das digitale Modell dazu, die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen den verschiedenen Beteiligten zu optimieren, was zu besseren Resultaten und weniger Missverständnissen führt.
Der Umstieg von Dokumenten auf Modelle, den Systemmodellierungstools wie CATIA Magic ermöglichen, resultiert in einer viel engeren Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Beteiligten und schnellen Iterationen bei sich ändernden Anforderungen. Ein Systemmodell ist eine Live-Darstellung eines Systems oder Produkts. Damit lassen sich Verhaltensweisen simulieren und sämtliche Schritte von der Anforderung bis zur validierten Lösung nachverfolgen
Bei MBSE werden Systemanforderungen, Architektur, Verhalten und andere Aspekte mithilfe von grafischen Modellen erfasst, die jeweils verschiedene Systemsichten darstellen. Diese Modelle können je nach dem zu entwickelnden System Blockdiagramme, Zustandsautomaten, Aktivitätsdiagramme, Sequenzdiagramme und mehr umfassen.
Richtig implementiert, schließt MBSE die Lücken zwischen den Engineering-Disziplinen, was zu leistungsfähigeren Produkten führt. Der Einsatz einer Kollaborationsplattform wie 3DEXPERIENCE zur Verwaltung des Systemmodells verbessert die Zusammenarbeit und die Transparenz erheblich und ermöglicht es Unternehmen, bei der Produktentwicklung über den gesamten Prozess hinweg modellbasiert zu arbeiten.
MBSE hilft auch dabei, das Potenzial eines virtuellen Zwillings voll auszuschöpfen. Es übersteigt die Möglichkeiten des modellbasierten Designs und Engineerings, das in vielen Unternehmen bereits genutzt wird.
Durch die Vernetzung aller Engineering-Disziplinen sorgt MBSE dafür, dass die Anforderungen in entsprechende Lösungen umgewandelt werden, die in den jeweiligen Engineering-Disziplinen implementiert werden können, ob Mechanik, Elektrotechnik oder Softwareentwicklung.
Wenn Sie MBSE in Ihrem Unternehmen einführen möchten, sollten Sie zunächst etwas Vorarbeit leisten. Zunächst müssen Sie die für Ihre Bedürfnisse geeigneten Software-Tools auswählen. Als Nächstes gilt es, Ihr Team in der effektiven Nutzung der Software zu schulen. Schließlich sollten Sie Prozesse und Verfahren für den Einsatz von MBSE in Ihrem Unternehmen festlegen, unter anderem Richtlinien für die Aktualisierung und Pflege des digitalen Modells.
Mit den richtigen Tools, Schulungen und Prozessen können Sie die Vorteile von MBSE in Ihren Engineering-Projekten nutzen. Um zu veranschaulichen, wie MBSE in der Praxis funktioniert, sehen wir uns doch einmal an, wie das bei unserem Kunden KONGSBERG Defense & Aerospace abläuft.
Jeden Sommer wird eine Gruppe von Studenten mit der Aufgabe betraut, eine autonome Drohne namens „Local Hawk“ zu entwerfen und zu entwickeln. Auch wenn es sich dabei um ein relativ einfaches Produkt handelt, erfordert es dennoch die Zusammenarbeit mehrerer Engineering-Disziplinen, darunter Mechanik, Elektrotechnik, Software und Aerodynamik.
In der Vergangenheit musste eine große Anzahl an Dokumenten erstellt werden, um alle Aspekte eines solchen Produkts vollständig zu beschreiben. Durch die Umstellung auf eine modellbasierte Arbeitsweise wird dieser Aufwand erheblich verringert.
Bei der modellbasierten Arbeitsweise sind die Modelle die Hauptinformationsträger. Die mechanische Konstruktion wird als 3D-Modell dargestellt, die strukturelle Belastbarkeit wird mit einem Finite-Elemente-Modell überprüft, und das Verhalten des Systems wird in einem Systemmodell beschrieben. Dieses umfasst Anforderungen, Anwendungsfälle, Zustandsdiagramme, Logikbausteine, Testfälle und vieles mehr.
Durch die Verknüpfung all dieser Elemente haben Sie die volle Kontrolle über alle wichtigen Aspekte eines Produkts und können so viel besser vorhersagen, wie es sich in der Praxis verhalten wird.
Nach der Inbetriebnahme des Produkts bietet das Systemmodell eine vollständige Rückverfolgbarkeit. So lässt sich die Ursache eines Fehlers während des Betriebs schnell finden. Das kombinierte Modell kann als virtueller Zwilling der Drohne betrachtet werden und hilft den Engineering-Teams, die Folgen von Konstruktionsentscheidungen in einem sehr frühen Stadium zu simulieren und zu analysieren.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass MBSE einen ganzheitlichen und kooperativen Ansatz für das Systems Engineering verfolgt, der eine bessere Kommunikation, Koordination und ein besseres Verständnis zwischen den an der Entwicklung komplexer Systeme beteiligten multidisziplinären Teams ermöglicht.
MBSE hat sich als ein sehr effizienter Ansatz zur Optimierung der Entwicklung komplexer Systeme erwiesen, da es alle Engineering-Disziplinen miteinander verbindet und eine vollständige Rückverfolgbarkeit – von den Anforderungen bis zum fertigen Produkt – ermöglicht.
MBSE ermöglicht es den Ingenieuren, sich auf die Verbesserung des Produkts zu konzentrieren, anstatt Dokumentationen zu schreiben. Die Kombination von modellbasiertem Entwurf und MBSE führt zu einem wesentlich effizienteren Engineering-Prozess, leistungsfähigeren Produkten und kürzeren Entwicklungszyklen.
TECHNIA bietet erstklassige Konstruktionssoftware, Schulungen und Beratungen. Unser engagiertes Expertenteam, das sich über 13 Länder erstreckt, berät und unterstützt Ihre Innovation mit einer Fülle von Fachwissen und Erfahrung.